Eine Gitarrenstunde müsste 25,35 EUR kosten

Wieviel Euro würde eine Gitarrenstunde kosten, wenn der Gitarrenlehrer wie ein durchschnittlicher Vollzeit-Arbeitnehmer bezahlt werden würde? Das lässt sich mit Hilfe ein paar statistischer Daten ausrechnen. Und wen wundert es ? ... natürlich verdienen die Gitarrenlehrer weniger als der Durchschnitt, vergleichsweise soviel wie ein Kellner mit Trinkgeld. 

Kaum eine Frage wird den privaten Gitarrenlehrer brennender interessieren als die Frage, welches Honorar er für seinen Unterricht verlangen kann bzw. soll. Eine ganze Reihe von Faktoren fließen bei der Kalkulation ein. Oft erübrigt sich eine Berechnung und man orientiert sich an den ortsüblichen Sätzen. 
In meiner Gitarrenlehrer-Datenbank haben 1200 private Gitarrenlehrer aus Deutschland (Musik- oder Gitarrenschulen ausgenommen) ihren derzeitigen Stundenpreis für eine Einzelstunde 45min angegeben. Der Preis ist für eine Vergleichbarkeit i.d.R. als 'Jahresgebühr geteilt durch vereinbarte Stundenzahl' zu verstehen. Der anhand der eingetragenen Daten ermittelte Durchschnittspreis für eine 45minütige Einzelunterrichtsstunde beträgt aktuell 21,60 EUR.   
Stundenpreise unter 10 EUR habe ich nicht berücksichtigt, da es sich dabei wohl eher um ein Taschengeld für Hobbygitarristen oder um unseriöse Angaben handelt. Regionale Unterschiede wie z.B. zwischen einer Großstadt wie München und einer Kleinstadt in der ostdeutschen Provinz sind statistisch nicht herausgerechnet. 
Dennoch sieht mir dieses Ergebnis stimmig aus. 

In einer Marktwirtschaft sind Preise letztlich ein Abbild von Angebot und Nachfrage. Das, was ein selbständiger Gitarrenlehrer verdienen will, muss der Schüler zahlen. 
Dennoch werden oft Klagen laut, dass der Beruf des Musikpädagogen (mit Abschluss) gering geschätzt und unterbezahlt ist. Dies war für mich Anlass, eine Rechnung aufzustellen. Was müsste ein Gitarrenlehrer pro 45min Einzelunterrichtstunde verdienen, wenn sich die Bezahlung an einem durchschnittlichen Gehalt orientierte?

Die wenigsten Schüler interessieren sich wirklich für die Qualifikation ihres Lehrers. Das ist für den Diplom-Musik-Pädagogen nicht gerade vorteilhaft, aber auch nicht zu ändern. Ich behaupte aber, dass ein Hochschulabschluss und damit ein staatlich anerkannter Beruf den Diplom-Musik-Pädagogen in den Stand erhebt, für seine Arbeit und seine Qualifikation ein durchschnittliches Gehalt erwarten zu dürfen. So wie es beispielsweise ein nicht studierter Facharbeiter erhält. Diese Annahme ist Grundvoraussetzung für meine Rechnung.  
Für das Durchschnittseinkommen (brutto) in Deutschland wird es variable Angaben geben. Ohne lange zu suchen, schenke ich einem FOCUS-Artikel aus dem Jahre 2017 Glauben und entnehme den Satz: "Das deutsche Durchschnittsgehalt für Vollzeitbeschäftigte liegt bei knapp über 3000 Euro."

Ist ein Gitarrenlehrer vollzeitbeschäftigt? Ich denke, die allermeisten eher nicht. Entweder weil sie nebenbei auch praktizierende Musiker sind oder weil sie mit einem Teilzeitjob auskommen. Aber wenn wir Vergleiche schaffen wollen, dann müssen wir den Job "Gitarrenlehrer" auf eine Vollzeitstelle hochrechnen. Ohne Quellenangabe behaupte ich, dass eine Vollzeitstelle 40 Arbeitsstunden pro Woche umfasst. Ein Lehrer, egal ob vor einer Klasse oder einem einzelnen Schüler, muss und kann aber nicht 40 Stunden in der Woche unterrichten. 
Widersprechen Sie mir bitte, aber ich halte eine maximale Unterrichtstätigkeit von 5 Uhrzeitstunden  am Werktag, so etwa 14 - 19 Uhr ohne Pause für hart, aber annehmbar. Das ist zwar mehr als ein Lehrer an einer Schule unterrichtet aber eben vorwiegend Einzelunterricht. Wir merken uns 5 Stunden pro Tag, rechnen aber weiter.

Jeder Arbeitnehmer hat Urlaub, auch unser gedachter Vollzeit-Lehrer. Hier nehme ich die Zeitung Die Welt beim Wort und zitiere: "Im Durchschnitt beträgt der Urlaubsanspruch in Deutschland knapp 27 Tage." Problematisch beim Vergleich mit normalen Vollzeitarbeitern sind bei Lehrern die Schulferien. So man diese beim Gitarrenlehrer als Urlaub bezeichnen möchte, liegt die Zahl seiner Urlaubstage deutlich höher. Um Gleichheit zu schaffen, müssen also die Schulferien auf die durchschnittliche Urlaubszeit schrumpfen. Das  Jahr hat im Schnitt 250 reguläre Arbeitstage. Nach Urlaub verbleiben also 223 Unterrichtstage für den Gitarrenlehrer.   

Ein kleines Problem: Unser Vollzeit-Gitarrenlehrer dürfte wie jeder Vollzeitarbeiter auch mal bezahlt krank sein. Ein selbstständiger Gitarrenlehrer allerdings, auf den diese gesamte Rechnung am Ende hinzielen soll, verdient bei Krankheit kein Geld. Wir müssten demnach die durchschnittlichen Krankheitstage im Jahr noch von den Arbeitstagen abziehen. Das statistische Bundesamt sagt: "... Arbeitnehmer 2015 zehn Tage krank gemeldet". Also stehen am Ende 213 Tage Unterricht .

Die Arbeitstage müssen nun mit der Unterrichtszeit pro Tag multipliziert werden, um die Jahresarbeitszeit zu errechnen. Das wären: 213 x 5 = 1065 Jahresarbeitsstunden.

Wenn nunmehr das Jahresgehalt (3000 EUR x 12 = 36000) durch die Anzahl der Jahresarbeitsstunden  (1065) geteilt wird, erhalten wir einen Brutto-(Uhrzeit-)Stundensatz. Und dieser liegt bei  33,80 EUR. Umgerechnet auf eine Unterrichtseinheit von 45min wäre das ein Brutto-Honorar von 25,35 EUR.

Ergebnis: Wenn ein Gitarrenlehrer mit einem durchschnittlichen Stundensatz bezahlt werden würde, dann müsste er 25,35 EUR bekommen. 

Einschränkend kommt hinzu, dass diese Zahl nach Abzug aller Ausgaben im Zusammenahng mit dem Unterricht zu sehen ist, z.B. Miete eines Raumes oder Kosten für Inventar/Material/Organisation usw..

Wenn Sie ein anderes Durchschnittseinkommen zugrunde legen möchten, hier ein paar andere Ergebnisse:

30000 EUR pro Jahr =  21,13 EUR pro 45min
40000 EUR pro Jahr =  28,17 EUR pro 45min
45000 EUR pro Jahr = 31,69 EUR pro 45min
50000 EUR pro Jahr = 35,21 EUR pro 45min
55000 EUR pro Jahr = 38,73 EUR pro 45min

Schlussbetrachtung:
Wir liegen - wie eigentlich zu erwarten war - bei einem errechneten Preis, der deutlich höher als der tatsächlich verlangte ist. Auch weil in dem aktuell gemessenen Durchschnittspreis (s.o.) etwaige Kosten für Mieten/Ausgaben enthalten sind.

Wenn wir zum Schluss noch einmal zurückrechnen, und den Durchschnittslohn laut Datenbank auf ein Jahresgehalt hochrechnen, dann können wir mit Hilfe der Seite absolventa den Beruf des Gitarrenlehrers einkommenstechnisch verorten. Und was sehen wir da?
Nur im Schlusslicht - Industriebereich Gastgewerbe - verdient man (ohne Trinkgeld) weniger als ein Gitarrenlehrer. Der Bereich "Erbringung sonstiger Dienstleistungen" liegt etwas drüber, aber wäre in etwa der, wo man sich einordnen müsste. Wer in "Erziehung und Unterrricht" nicht gerade als Musiklehrer arbeitet, verdient 1,5 mal mehr als ein Gitarrenlehrer. Und wer meint, dass man als Gitarrenlehrer evtl. mit der "Erbringung von freiberuflichen ... Dienstleistungen" dient, der müsste ca. 40 EUR pro 45min Einzelunterricht verlangen.
Im Bereich "Studiengänge" geht es übrigens erst bei 40000 EUR los. Mit anderen Worten: der ärmste Akademiker verdient ca. 40% mehr als ein studierter Gitarrenlehrer auf dem freien Markt.

So, und zum Schluss sei noch bemerkt, dass es Gitarrenlehrern bestimmt noch ganz gut im Vergleich zu Geigen- oder Trompetenlehrern geht. Denn bei uns ist ja wenigstens die Nachfrage da.  



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen